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21.01.2015

Das Herz wird nicht dement

Am Mittwoch, den 21. Januar 2015, hielt Dr. Udo Baer einen Vortrag mit dem Titel: "Das Herz wird nicht dement."


 




Der unvergessliche Vortrag über Frau Meyer

„Man sieht nur mit dem Herzen gut“, lässt Antoine de Saint-Exupéry einen schlauen Fuchs gegenüber den kleinen Prinzen in seiner märchenhaften Erzählung aus dem Jahr 1943 überraschend feststellen. Weiter in der Abhandlung erklärt das kluge Tier: „Man kennt nur die Dinge, die man zähmt“, und fügt für dem Prinzen sein Geheimnis hinzu: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Abschließend: „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“

Soweit diese liebevollen Vergleiche. Das passt auch sinnbildlich auf die zentrale These die am Abend des 21. Januar 2015 von Herrn Dr. Udo Baer im ausverkaufen „daunstärs“ in Langenhagen vertreten wurde. Auf Einladung der VHS in Kooperation mit dem Hospizverein, fand diese Veranstaltung statt. Dabei ging es um eine weitere kardiologische Besonderheit. „Das Herz wird nicht dement“, verkündet das Deckblatt seines letztjährig erschienen Buches. Nach dem gut einstündigen Vortrag konnte das Publikum Fragen stellen, wobei zuvor gehörte Feststellungen nochmals überzeugend untermauert wurden.

Und wenn wir den unverzichtbaren Lebensmuskel ein drittes Mal beim Namen nennen, dann sei hier festgestellt, dass Herr Dr. Baer voll die Herzen seines so zahlreich erschienen Publikums mit unterhaltsam vorgetragenen Erkenntnissen erreichte. Schmunzelnd wagen wir in der Wertung der Überzeugungskraft seinen Namen, das Adjektiv „stark“ hinzuzufügen.

Stellvertretend für die gesamte Aussage über betroffene Mitmenschen soll hier von der demenziell erkrankten Frau Meyer die Rede gehen. Sie ist für unser Thema die typische Heimbewohnerin. Sie könnte ebenso Frau Mustermann heißen, da sie mit ihrer verworrenen und desorientierten Präsenz das Bild eines Menschen bot, dem sein Erinnerungsvermögens verloren gegangen war. Das kognitive Gedächtnis war bei ihr ausgelöscht. Die uns ständig umfassende Gegenwart entzog sich einer notwendigen Abspeicherung und somit vergleichbaren Registrierung in den zuständigen Hirnregionen. Proteinablagerungen versperrten den Datenfluss zwischen den Hirnhierachien. Grundsätzlich ist intellektuelle, kreative oder sonstige Hervorbringung geistiger Ergebnisse nur durch die Verbindungswege, zum Beispiel der Synapsen möglich. Ein Telefon als solches ermöglicht ja auch kein Gespräch. Ohne die freien Verbindungswege für den gesprochenen Datenfluss, bleibt der Apparat stumm.

Ebenso bei der mustergültigen Frau Meyer. Sie fiel Herrn Dr. Baer bei einer therapeutischen Gruppenarbeit auf. Im Rahmen dieser Maßnahme wurde Musik als harmonisches Gestaltungsmittel eingesetzt. Darauf reagierte die kranke Frau mit einem nie geahnten Taktgefühl. Sie legte eine vollendete Tango-Tanzfigur aufs Parkett. Diese ausgeprägte Schrittfolge eines lateinamerikanischen Gesellschaftstanzes beherrschte sie auf verblüffende Weise.

Das Gedächtnis der Klänge, ein Gedächtnis der Sinne, konnte sie dazu bei Bedarf abrufen. Danach versank sie wieder in die unbegreifliche Jetztzeit, in ein Gegenwartsvakuum. Das könnte als Beweis dafür hingehen das ihr Gedächtnis der Sinne, das ihr Gedächtnis des Körpers, das Gedächtnis der Klänge und Situationen, alles Bestandteile des Gedächtnisses des Erlebens, von ihr als das „Leibgedächtnis“ genannt werden kann. Auf dieses Leibgedächtnis kann weitgehend vom Betroffenen zurückgegriffen werden. Das Gedächtnis versagt, macht uns dement. Das Gedächtnis des Herzen bleibt bestehen. Frau Meyer ist unsere Zeugin.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Erinnern ein komplexer Prozess ist, der nicht nur das Denken betrifft. Daher gilt es bei Demenz, Wege des Kontaktes zu suchen, die das Erleben ansprechen und somit das Herz berühren. Demenz ist mehr als Gedächtnisverlust oder eine Denkstörung. Demenz verändert das Gefühlsleben der Betroffenen tief greifend und nachhaltig. Um Menschen mit Demenz würdigend begleiten zu können, ist es notwendig, deren Gefühlsleben zu kennen. Jedoch die Würde entsteht nicht aus sich heraus, sondern bedarf der Resonanz anderer. Damit Würde wachsen kann, müssen Menschen gewürdigt werden.

Mag gut sein, dass dieser Bericht lückenhaft abgefasst wurde. Laut Überschrift soll das Erlebte ja unvergesslich dank Herrn Dr. Baer und seiner Tanzpartnerin Frau Meyer geworden sein - Hand aufs Herz.

Hier geht es direkt zu Dr. Baer...

Hospizverein Langenhagen e. V. - Walsroder Straße 65 - 30851 Langenhagen - 0511 9402122